mundraub quetscht alte Obstsorten aus: Schattenmorelle im Interview


Die Sonne schien und wir hatten viel zu gute Laune. Dagegen musste sich etwas tun lassen, dachten wir, und luden einen ganz besonderen Gast zum Interview: Die Schattenmorelle. Ihres Zeichens eine alte Sorte der Sauerkirsche.

mundraub (m): Ein sonniges Hallo, liebe Schattenmorelle!

Schattenmorelle (S): Hallo.

m: Schön, dass Sie hier sind. Wir werden Ihnen eine Menge Fragen stellen.

S: Bringen wir’s hinter uns.

m: Oha, da scheint jemand auf dem falschen Stiel aufgestanden zu sein, hehe... Na dann legen wir gleich los: Wie geht es Ihnen?

S: [brummt] Möchten Sie das wirklich wissen?

m: [räuspert sich] Erzählen Sie mir doch etwas über Ihren Ursprung.

S: Da gibt’s nicht viel zu erzählen.

m: Nicht mal ein bisschen?

Sauerkirsche Schattenmorelle

S: Frankreich.

m: Oh wie schön, la France. Zieht es Sie denn öfter dorthin zurück. Sie sind bestimmt viel unterwegs.

S: Das ist noch milde ausgedrückt.

m: [wartet]

S: [...]

m: Ähm, was genau meinen Sie damit?

S: Dass ich STÄNDIG unterwegs bin. Es gibt viel zu tun.

m: Oh, das klingt ja spannend.

S: Ich bitte Sie. Spannend. Ein Leben als Konservenobst.

m: Nun ja, ein, äh, schöner Buchtitel für Ihre Memoiren, nich?

S: [starrer Blick]

m: Sauer macht offensichtlich nicht immer lustig… na dann weiter im Text. Sie werden tatsächlich sehr gern zu Konfitüre verarbeitet oder konserviert. Man sagt, gerade dann entfalte sich Ihr tolles Aroma.

S: Wenn man das sagt.

m: Und offensichtlich stimmt das auch, wenn jemand Sauerkirschen zum Backen braucht, wendet er sich fast immer an Sie. Ich meine, Sie werden ja auch hauptsächlich angepflanzt, weil Ihre Ernte so reich ist. [Pause] Ich persönlich bin ja ein großer Fan der Schwarzwälder Kirschtorte.

S: Ich hasse Schwarzwälder Kirschtorte.


m: [nervöses Lachen] Schade. Und Clafoutis?

S: Geht so.

m: Nun gut. Wann sind Sie denn eigentlich reif?

S: Sechste, siebte Kirschwoche. Bin ‘ne spätreifende Sorte.

m: Stimmt es denn, dass Sie nur im vollreifen Zustand gepflückt werden wollen.

S: Ja.

m: Warum ist das so?

S: Weil ich sonst Schmerzen hab’.

m: Unreife Früchte hängen zu fest am Holz, richtig? Dadurch könnte Rinde abgerissen werden, was ja die Triebe verletzen würde.

S: Was fragen Sie mich überhaupt, wenn Sie es selbst wissen?

m: Naja, es ist ein Interview und Sie sind nicht ganz so gesprächig wie andere alte Sorten. Cox Orange zum Beispiel, der hat mir Apfelmus ans Ohr geredet.

S: Heiße ich Cox Orange?

m: Nein. Apropos: Warum eigentlich Schattenmorelle?

S: Französisch.

m: Das Wort Schattenmorelle ist französisch?

S: Nein. Mein französischer Name ist französisch.

m: Und der wäre?

S: Griotte du Nord oder auch Chatel morel.

m: Ach ja, toll! Eingedeutschtes Französisch - ich liebe es! ‘Aus der Lamäng’, ‘Fisimatenten’... sooo lustig.

S: [ernst] Sehr.

m: [resigniert] Nun gut. Puh, was für ein Interview, vielen Dank für Ihre kostbare Zeit!

S: [steht auf und geht]


Quellen: Silbereisen, Robert; Götz, Gerhard; Hartmann, Walter (2014): Konstantinopeler, in: Obstsortenatlas. Kernobst, Steinobst, Beerenobst, Schalenobst, Nikol Verlag, Hamburg: S. 241-242. Bilder: pixabay, CCO / bearbeitet durch mundraub.org

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