Das Gleichnis der Liegestühle - oder Gemeingüter auf Kreuzfahrt


Ein Schiff geht auf Kreuzfahrt von Hafen zu Hafen. Auf dem Oberdeck gibt es Liegestühle, allerdings dreimal weniger, als es Passagiere an Bord gibt. In den ersten Tagen auf Fahrt wechseln die Liegestühle fortwährend ihre Besitzer. Sobald jemand aufsteht, gilt der Liegestuhl als frei; Handtücher oder andere Belegsymbole werden nicht anerkannt. Das war eine zweckmäßige Ordnung, das begrenzte Gebrauchsgut "Liegestuhl" wurde nicht knapp. Doch nach der Ausfahrt aus einem Hafen, in dem eine Menge neuer Passagiere an Bord gekommen ist, bricht diese Ordnung zusammen.

Die Neuankömmlinge, untereinander bekannt, verhalten sich anders. Sie bringen die Liegestühle an sich und erheben fortan dauerhaften Besitzanspruch. Die Mehrheit der anderen Passagiere hat nunmehr das Nachsehen. Knappheit regiert, Streit ist an der Tagesordnung. Und die meisten Gäste an Bord sind schlechter dran als zuvor. (Nach Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, Tübingen 1986, entnommen: Helfrich, Kuhlen, Sacks, Siefkes (2009). Gemeingüter - Wohlstand durch teilen. Berlin: Heinrich Böll Stiftung) English Version: see here page 6

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Tolles Gleichnis, sehr anschaulich. Das selbe Prinzip kann auch bei Autos, Werkzeugen, Geräten und vielem mehr angewendet werden. Es muß ja wirklich nicht jeder alles selber besitzen..