Warum veredeln wir?
Fast alle Obstsorten, die wir kennen, sind Kulturpflanzen und damit Resultat einer langen Züchtungsgeschichte. Anders als Wildäpfel oder Wildbirnen, die sich gut von selbst vermehren, werden Kultursorten veredelt. Das klingt edel und gut und wir beschreiben hier kurz anhand des Apfels, wie es geht.
Unter den über 2.000 Apfelsorten, die es in Deutschland gibt, hast vielleicht auch du schon mal den einen oder anderen Lieblingsapfel gekostet und gedacht: Wie schön wäre es, aus dem Apfelkern ein Bäumchen heranzuziehen, an dem einmal genau dieser Lieblingsapfel heranreift. Dies funktioniert allerdings nicht mit einem Kern, sondern durch das Aufpfropfen eines sogenannten Edelreis´ von deinem Lieblingsbaum auf einer gut wachsenden Wurzelunterlage. Wie geht das nun? Zum Glück existiert auch heute noch das uralte Handwerk der Obstbaumveredelung, um sortenreine Äpfel zu vermehren. Dieses Kunst kannst du dir mit ein bisschen Geschick selbst aneignen.
So gehst du beim Veredeln von Obstbäumen vor
Zunächst brauchst du einen Edelreiser, also einen einjährigen Trieb. Am besten nimm einen geraden Wasserschosser, den du vom Apfelbaum deiner Wahl schneidest. Dieser enthält alle für deine Lieblingssorte notwendigen Erbinformationen. Den etwa bleistiftstarken Edelreiser schneidest du in der Zeit der Winterruhe, wobei die Temperaturen nicht weit unter dem Gefrierpunkt liegen sollten. Der Edelreiser wird dann am besten in feuchtes Zeitungspapier eingeschlagen und bis zur Veredelung im März/April in feuchter Erde im Keller oder in einer Plastiktüte im Kühlschrank gelagert. Damit deine Lieblingssorte Wurzeln schlagen kann, fehlt jetzt noch eine sogenannte Wurzelunterlage, die mit der Sorte des Reisers möglichst eng verwandt und gut an den Pflanzstandort angepasst sein sollte. Unterlagen kannst du dir bei der Baumschule deines Vertrauens besorgen. Du kannst dir eine Wurzelunterlage aber auch selbst herstellen, indem du aus den Kernen eines kräftigen Apfelbaumes aus deiner Region selbst einen Jungbaum ziehst und ihn wachsen lässt bis er so dick ist, wie das Edelreis. Vor der Veredelung mit dem Reis sägst du dann den Austrieb des Wildlings ab.
Bei den verschiedenen Veredelungstechniken geht es immer darum, möglichst viel wachstumsfähiges Gewebe von Reiser und Unterlage sauber miteinander zu verbinden und die besonderen Regenerationskräfte der jungen Baumtriebe zu nutzen. Bei der hier beschriebenen Methode ist es ist wichtig, dass die beiden Flächen von Unterlage und Reiser passgenau miteinander verbunden werden. Dazu schneidest du die Unterlage mit einem Veredelungsmesser* mit spitzem Winkel an und achtest darauf, dass eine Blattknospe stehen bleibt, die das Wasser aus dem Boden in dem Stamm ziehen soll. Das Edelreis schneidest du ebenfalls im identischen spitzen Winkel an und achtest auch hier darauf, dass eine Kospe stehen bleibt, die das Wasser aus der Unterlage dann ins Edelreis ziehen wird, damit es (an)wachsen kann. Beide Schnittflächen sollen dabei nahezu identisch sind. Dann legst du sie aufeinander und verbindest sie fest mit Veredelungsband*.
Zu guter Letzt musst du die Veredelte Stelle gut abdichten, damit keine Krankheitserreger eindringen und sie nicht austrocknet. Das geht gut mit diesem Wundverschlussmittel* Das Bäumchen kann nun an einer geschützten Stelle wachsen. Gut wässern, gut düngen und Wühlmäuse und andere Tiere fernhalten, die die jungen Wurzeln oder Triebe gern fressen.
Das folgende Video beschreibt den Vorgang sehr gut.
Exkurs Kronenveredelung
Du kannst auch Edelreiser in die Baumkrone eines älteren Baumes hinein veredeln. Diese sogenannte Kronenveredelung hat zwei interessante Vorteile: mit ihr kannst du experimentell mit mehreren Sorten gleichzeitig veredeln und der Baum stellt um auf Selbstbefruchtung. Empfehlenswert ist dies, wenn ein Pollenspender in der Nachbarschaft gefällt wurde und dein Baum plötzlich keine Früchte mehr trägt. Die Veredelung in der Krone erfolgt “hinter der Rinde” bzw. mittels “Rindenpfropfen". Dies geht am besten im Mai, da sich die Rinde dann gut ablöst. Beim Rindenpfropfen wird der Reiser unten keilförmig angeschnitten, die unterste Knospe (auch Auge genannt) liegt oberhalb und abgewandt der Schnittstelle. Die Rinde der Unterlage wird nun, ohne das darunterliegende Gewebe zu verletzen, längs mit einem scharfen Messer angeschnitten, und seitlich angehoben. In diesen Spalt wird das Reis eingeschoben, seitlich an die noch feste Rinde angedrückt und mit der angehobenen Rinde überlappt, sodass Reis und Auge seitlich etwas herausluken. Nun werden Reis und Rinde fest mit Veredelungsband umwickelt. Zum Schluss bestreichst du die Schnittflächen, auch die vom Auge flach abwärts geschnittene Reisspitze, mit Baumwachs. Jetzt heißt es abwarten und beobachten, ob alles zusammenwächst und sich die Reiser gut entwickeln.
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