Obstbaumalleen gehen zurück


Lückige Apfelallee (© mundraub)

Allee, Allee - eine Straße, viele Bäume, ja das ist eine Allee. Diesen Vers aus einem Lied norddeutscher Fußballfans summte ich am letzten Wochenende nachdenklich vor mich hin, als ich auf Landstraßen durch Mecklenburg-Vorpommern fuhr. 

Ich hätte wohl besser singen sollen: Das war eine Allee. Denn es ist mehr als offensichtlich: Das "Land der Alleen" ist gerade dabei, seine Obstbaumalleen zu verlieren! Schleichend und unbemerkt. Ich habe mir einige Alleen angeschaut, die ich aus Kinder- und Jugendtagen kenne und da ist nicht mehr viel zu erkennen. Unter anderem sind dies Erinnerungen, aus denen die Idee zu mundraub entstanden ist und diesen Schwund empfinde ich persönlich als sehr sehr schade. 

Man kann nun zu Recht sagen, dass dies zu verkraften sei und dass es auf dieser Welt wichtigere Probleme zu lösen gilt. Immerhin sind diese Obstbaumalleen nicht mehr zur Versorgung der Bevölkerung notwendig - es gibt doch alles im Handel zu kaufen. Ja das stimmt sicher, aber trotzdem geht hier ein Stück Geschichte verloren. 

Obstbaumalleen per Gesetz

Entstanden sind diese Alleen zu Zeiten der preußischen Könige, die sogar eigens ein Ehestandsbaumgesetz erlassen haben, um die Obstbaumpflanzungen im öffentlichen Raum zu pushen. Im Dritten Reich verfügte der Reichsnährstand eine massive Verjüngung und Nachpflanzung von Obstbaumalleen und in der DDR wurde in den sechziger Jahren auch noch einmal ein wenig nachgepflanzt. Ähnliche Pflanzaktionen sind in den Ländern der alten Habsburger Monarchie bekannt, z.B. aus Slowenien oder von unseren Freunden im Geiste - von na-ovoce aus Prag. 

Reste einer Apfelallee (© mundraub)

Aus dieser Tradition heraus lässt sich auch das Ergebnis einer unserer Umfragen erklären, die wir im Hasetal in Niedersachsen durchgeführt haben: neun von zehn Deutschen nehmen Obstbäume im öffentlichen Raum als prägendes Element einer schönen und reichen Kulturlandschaft wahr. Da seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts kaum noch nachgepflanzt wurde lässt sich ohne Taschenrechner heraus finden, dass die Mehrzahl der verbliebenen Alleenbäume heute 80 Jahre und älter ist. Time to say good bye!

Obstbäume an öffentlichen Straßen stehen auch immer wieder in der Kritik von Verkehrsbehörden und der Kraftfahrzeuglobby. Es ist richtig, dass Obstbäume einen relativ hohen Pflegeaufwand haben und als fruchttragende Bäume Probleme auf und an Straßen verursachen können. Wild frisst die am Straßenrand liegenden Früchte und springt vors Auto, Äpfel fallen aufs Autodach und hinterlassen eine Delle oder manche Straßen sehen im Herbst aus wie ein ausgeschütteter Mustopf. Es gibt seitens der Verkehrsbehörden zudem aufgrund fehlender Nutzungskonzepte der Ernte wenig Interesse an einer Verjüngung und damit Erhaltung und Inwertsetzung des Bestandes. Entgegenhalten kann man hier, dass die Verjüngung von Alleen in vielen Landesnaturschutzgesetzen vorgeschrieben ist. Meine Feldrecherche erweckte aber den Eindruck, dass diese Vepflichtung nicht ganz so ernst genommen wird.

Als Argument wird auch die Gefahr von Unfällen an Bäumen angeführt. Das BMVI spricht von 600 Verkehrstoten durch Aufprall auf Straßenbäume (zum Vergleich: insgesamt starben in 2014 etwa 3.800 Menschen auf deutschen Straßen). 

Die letzten Kirschbäume einer einstmals geschlossenen Allee (© mundraub)

Und nun darf die Wortblase des Jahrzehnts "Nachhaltigkeit" noch einmal ins Spiel. Der Geschäftsführer von Montblanc, Jérome Lambert, beschreibt sehr schön, was Nachhaltigkeit für die modernen Menschen bedeuten könnte: "Nachhaltigkeit hat für die Menschen die Funktion, eine Brücke von der Vergangenheit zum modernen Leben zu bauen." (Quelle: Hohe Luft 5/2015)

Wie könnte ein solcher Brückenschlag gelingen? Fakt ist, dass die Alleen in den nächsten Jahren verschwinden werden, wenn wir sie nicht nachpflanzen. Oder wir legen eine Agenda 2020 auf und stellen alles auf den Kopf, wie Rot-Grün vor 15 Jahren. Als Beispiel eines beherzten Pflanzprogramms sei die Republik Moldau erwähnt, die in den 1980er Jahren - ja, das war noch zu Sowjetzeiten - hunderte Kilometer Nussbaumalleen angepflanzt hat. Nicht schlecht ...

What can we do? Wir wollen euch ermutigen, eure Ideen mit uns zu teilen. Wie kann ein wirksames Modell aussehen, welches wir mit euch und starken Partnern umsetzen? Hinterlasst bitte hier eure Kommentare oder schreibt uns.

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Hey Kai,

kann dir nur beipflichten. Wir sollten mal gemeinsam überlegen, mit welchen Ländern und Kommunen mal ein Exempel statuieren könnten. Wir wären auf jeden Fall bereit, dies als Projekt auf unsere Plattform zu nehmen und damit einen Teil der Finanzierung zu stemmen. Lets talk.

LG Micha von IPAT